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Jüdisches Leben in seiner Vielfalt sichtbar machen

Ein breites Bündnis unter anderem aus Jüdischer Gemeinde, Kirchen, der Universität Würzburg und dem Bezirk will alte Vorurteile auflösen – Erster urkundlicher Nachweis jüdischen Lebens vor 1700 Jahren als Anlass

Würzburg (POW) Mit einer Vielzahl von Veranstaltungen in Unterfranken machen im laufenden Jahr unter anderem die Jüdische Gemeinde Würzburg, katholische und evangelische Kirche, der Regierungsbezirk Unterfranken und die Julius-Maximilians-Universität Würzburg auf 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland aufmerksam. „Der historische Anlass ist eine Urkunde vom 11. Dezember 321. Darin erlässt der römische Kaiser Konstantin ein Gesetz, in dem festgelegt ist, dass Juden in der Stadtverwaltung von Köln städtische Ämter bekleiden dürfen“, sagt Hochschulpfarrer Burkhard Hose. Er ist katholischer Vorsitzender des Vereins „Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Würzburg und Unterfranken“. Damit handelte es sich um den Nachweis, dass bereits in der Spätantike auf dem heutigen Bundesgebiet eine jüdische Gemeinde existiert hat. Dieses eigentlich lokale Ereignis sei der Anlass für eine deutlich größere Aktion, die darauf abziele, jüdisches Leben in seiner Bedeutung sichtbar zu machen.

„Der aktuell wieder spürbare, in der deutschen Gesellschaft um sich greifende Antisemitismus ist aber sicher auch ein Hintergrund. Ihn gilt es anzugehen. Wir wollen daher jüdisches Leben in seiner Vielfalt sichtbar machen“, erklärt Hose. Nur wenige Menschen würden Jüdinnen und Juden kennen. „Das Bild über sie ist oft geprägt von antisemitischen Klischees und der Erinnerung an die Schoah.“ Deswegen ziele die gesamte Aktion zum 1700. Jubiläum jüdischen Lebens in Deutschland darauf, ein Kennenlernen zu ermöglichen, bei dem das Alltägliche und die Nachbarschaft in den Blick genommen werden, um so alte Stereotypen und Vorurteile aufzulösen.

Corona und die damit verbundenen Schutzvorschriften haben nach Hoses Worten auch bei den Planungen für Unterfranken so einiges durcheinandergewirbelt. „Viele Programmpunkte mussten wir auf den Herbst verlagern, viele Vorträge beispielsweise wird es ausschließlich in digitaler Form geben.“ Von vornherein im Internet angesiedelt sei die bundesweite, ökumenisch verantwortete Kampagne „#beziehungsweise – jüdisch und christlich: näher als du denkst“. Sie möchte dazu anregen, die enge Verbundenheit des Christentums mit dem Judentum wahrzunehmen. Auch und gerade im Blick auf die Feste wird die Verwurzelung des Christentums im Judentum deutlich. Mit dem Stichwort „beziehungsweise“ soll zum Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ der Blick auf die aktuell gelebte jüdische Praxis in ihrer vielfältigen Ausprägung gelenkt werden.

Als ein regionales Highlight bezeichnet Hose die für das Wintersemester 2021/22 geplante Ringvorlesung an der Universität Würzburg, die insgesamt zwölf Vorträge umfasst. Unter anderem referiert in der Reihe Professor Dr. Daniel Krochmalnik, Professor für Jüdische Religion und Philosophie an der School of Jewish Theology der Universität Potsdam, über „Moses Mendelssohn oder der Anfang des Deutschjudentums“. Professorin Dr. Astrid Lembke, Inhaberin der Professur für Jiddische Literatur- und Kulturwissenschaft an der Universität Wien, spricht über jiddisch-deutsche Literaturbeziehungen im 16. Jahrhundert.

Im Würzburger katholischen Sonntagsblatt ist außerdem eine Artikelserie vorgesehen, die beleuchtet, wo heute noch in der Auslegung der Bibel Stereotype über Juden zu finden sind. „Ich denke da an die Darstellung des Judentums im Johannesevangelium, an die Pharisäer als Gegner Jesu oder auch den Gegensatz zwischen dem vermeintlich gesetzesverhafteten Judentum und dem Christentum als Religion der Freiheit“, erklärt Hose. So schreibt unter anderem Pastoralreferent Dr. Stefan Heining, stellvertretender Leiter der Abteilung „Fortbildung und Begleitung“ des Bistums Würzburg, über „Auge um Auge – ein Gott der Rache im Alten Testament? Schluss mit oberflächlichen Deutungen!“. Diese Bereiche seien sicher auch Gegenstand eines Studientags, an dem die katholisch-theologische Fakultät das Judentum aus verschiedenen Perspektiven in den Blick nehmen wird, erklärt Hose.

Eine kompakte Internetseite mit einem Überblick über alle Angebote zum Jubiläum „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ für Unterfranken ist nach Hoses Worten gerade im Entstehen. Dort gibt es dann auch nähere Informationen zu einem „Actionbound“, einer interaktiven Schnitzeljagd zum Thema mit Hilfe einer Handy-App.

„Für mich wäre ein wichtiges Ergebnis, dass wir das jüdische Leben als heutigen Bestandteil unseres alltäglichen Lebens wahrnehmen, und zwar als Menschen wie du und ich, und dass wir unser Bild nicht nur beschränken auf Schoah und Antisemitismus.“ Das seien, sagt Hose, sicher ganz wichtige Bestandteile der Beziehung, aber wenn man das Judentum heute darauf beschränke, förderte man den Antisemitismus. „Am besten wäre es, wenn am Ende des Jahres mehr Menschen die Frage mit Ja beantworten könnten, ob sie einen Juden oder eine Jüdin kennen. Die erste und beste Anlaufstelle ist in meinen Augen das Jüdische Gemeinde- und Kulturzentrum Shalom Europa.“ Nähere Informationen zu „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ im Internet unter https://2021jlid.de/ sowie unter https://www.juedisch-beziehungsweise-christlich.de/.

mh (POW)

(1421/0349; E-Mail voraus)

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